Zielsetzung Grundtextausgabe
Die Arbeiten des hier beschriebenen Projekts zielen darauf ab, die bisherigen Ansätze zur Ermittlung des NT-Grundtextes weiterzuentwickeln und wenn möglich einen neuen Text mit Apparat zu erarbeiten.
Zielsetzung
Aus den Ersten Analysen der drei grundlegenden Ansätze gedruckter Ausgaben (TR, NA, RP) und der ihnen zugrunde liegenden handschriftlichen Überlieferungen ergibt sich die Zielsetzung dieses Projekts, die Schwachpunkte dieser Ansätze zu überwinden und ihre Stärken zu kombinieren. In diesem Sinne soll der genaue Wortlaut des NT-Grundtextes unter neuen Voraussetzungen und auf der Basis der überliefernden Handschriften neu erarbeitet werden, um ihn zusammen mit einem entsprechenden Apparat zu veröffentlichen.
Arbeitsbereiche
Auf dem Weg zur angestrebten Grundtextausgabe müssen verschiedene umfangreiche Forschungsarbeiten durchgeführt werden, die aufeinander aufbauen oder voneinander abhängen. Das sind vor allem folgende Bereiche:
a) Es müssen alle fraglichen Stellen des neutestamentlichen Textes, die einer Klärung bedürfen, ermittelt werden, um an diesen Stellen
b) Textentscheidungen zu treffen zwischen den Varianten der Überlieferung entsprechend den Erkenntnissen für eine sachgemäße Textkonstitution, daher müssen
c) Kriterien für Textentscheidungen erarbeitet werden, die die Schwächen der bisherigen Ansätze überwinden und ihre Stärken kombinieren, und
d) sorgfältige Vergleiche einer ausreichenden Anzahl verschiedener Handschriften durchgeführt werden, um auf dieser Basis die nötigen Entscheidungen treffen und im Apparat dokumentieren zu können.
Diese Vorgänge lassen sich zusammenfassen in den beiden Arbeitsbereichen:
Textkonstitution und Handschriften-Kollation.
NT-Text
In Zusammenfassung dieser Arbeiten könnte ein griechischer Grundtext publiziert werden, dessen Wortlaut sich am Gesamtbild der handschriftlichen Überlieferung orientiert. Denn jede einzelne Überlieferungslinie weist an jeweils individuellen Textstellen Schwächen auf, so dass die Bevorzugung einer bestimmten Tradition immer zu einer Reihe von Textfehlern führt (s.o.). Erst die Übersicht und Auswertung der Gesamtheit der Überlieferungslinien schafft eine ausreichende Basis, um im Idealfall sämtliche Überlieferungsfehler zu überwinden und somit einen optimalen Text zu schaffen.
Apparat
An jeder Stelle, an der die wesentlichen Textformen differieren, soll ein textkritischer Apparat ein repräsentatives Bild der Textzeugen bieten, um dem Leser die Gründe für die Textentscheidung nachvollziehbar darzustellen und ihm ggf. die Möglichkeit zu geben, in schwierigen Fällen auch abweichende Entscheidungen zu treffen. Der Apparat soll jede Stelle dokumentieren, an welcher die alexandrinische Textform (in den Evangelien primär Codex Sinaiticus und Vaticanus, ansonsten auch Alexandrinus) von der byzantinischen Textform (Mehrheit der griechischen Handschriften) abweicht oder letztere in mehrere Varianten aufgeteilt ist. Der Apparat soll an diesen Stellen möglichst alle Handschriften von der Frühzeit bis zum 9. oder 10. Jahrhundert verzeichnen (mit einigen Einschränkungen bei den Minuskeln, aus Platzgründen), unabhängig von ihrem Texttyp, so dass das gesamte Spektrum der Überlieferung ohne einseitige Auswahl dargestellt wird. Diese Eigenschaften werden durch die Apparate der bisherigen Grundtextausgaben nicht abgedeckt (mit Ausnahme der Edition Critica Maior, die aber lange Zeit noch nicht vollständig ist und eine andere Ausrichtung aufweist).
Außerdem soll der Apparat leicht verständlich sein, um auch für die Laien brauchbar zu sein und der Benutzung keine Hindernisse in den Weg zu legen. Zu diesem Zweck wird auf die extrem platzsparende Verzeichnung - wie sie im wissenschaftlichen Bereich üblich, aber für viele nur mit Mühe zu interpretieren ist - verzichtet und die Anzahl erklärungsbedürftiger Symbole und Zeichen auf ein Minimum reduziert.
Einen ersten Entwurf für Matthäus 1-3 habe ich vor einigen Jahren erstellt (s. Downloadbereich), würde aber mittlerweile einiges anders machen.
Forschungslücken
Auf dem Weg zur Verwirklichung der angestrebten Grundtextausgabe stößt man - so war der Stand zu Anfang dieses Projekts - auf einige Forschungslücken, d.h. Arbeitsbereiche, die in der NT-Textforschung weltweit bisher noch nicht ausreichend behandelt worden waren, unter anderem Folgende:
Mehrheitstextforschung - Lektionarsforschung - Apokalypseforschung
Ferner sind auch viele Versionen noch nicht ausreichend erforscht, aber dies ist momentan nicht Teil dieses Projekts.
Update: Dank der intensiven Arbeiten für die Erstellung der ECM der Offenbarung in den Jahren 2011-2023 kann die Apokalypse nicht länger als Forschungslücke gelten; die Ergebnisse wurden kürzlich (Juni 2024) in Form der vierbändigen ECM-Ausgabe publiziert.
Gegenwärtiger Stand
Die Durchführung der Textkonstitution erwies sich in der Praxis schwieriger als anfänglich gedacht, weil die Gesamtüberlieferung in den Briefen stärker gespalten ist als in den Evangelien: Es fehlen für die Briefe frühbyzantinische Handschriften (wie es sie für die Evangelien gibt, z.B. aus dem 6. Jh.), und die Vulgata divergiert zudem stärker von der Peschitta. Die Folge ist, dass öfter als in den Evangelien zwei relativ gut bezeugte Varianten einander gegenüberstehen und so die Textentscheidung erschweren. Außerdem hat die spezielle Situation der Überlieferung der Offenbarung umfangreiche Vorarbeiten erfordert. Aus diesen Gründen hat sich die Arbeit an der Grundtextausgabe verzögert und die Rekonstruktion des ursprünglichen Textes scheint erschwert. Es ist jedoch beabsichtigt, die bisher gesammelten Ergebnisse zusammenzufassen, indem der griechische NT-Text mit den Varianten der Textformen hier zur Verfügung gestellt wird.